Aufführung in Maintal Wachenbuchen
Bei der Volksbühne Maintal können Sie das Stück am 6. Mai 2023 um 20 Uhr sehen
Mittwoch, 29. März 2023, Maintal Tagesanzeiger / Maintal
Satire um tödliches Naschwerk
Wachenbücher Weltbühnchen spielt Wildes Kriminalkomödie „Lord Arthurs Verbrechen“
VON ULRIKE PONGRATZ

Maintal – Nun also ein Kostümstück, eine Komödie, eine Kriminalsatire. Nach „Netzwelt“ und „Das Schweigen der Sterne“ entführt das Ensemble des Wachenbücher Weltbühnchens die Zuschauer in die Welt der britischen „Upper-Class“ Ende des 19. Jahrhunderts. Die Kriminalkomödie „Lord Arthurs Verbrechen“ von Oscar Wilde wurde im ausverkauften Gemeindehaus Wachenbuchen begeistert aufgenommen. Regisseur Chris Goy hat das Stück etwa um die Hälfte gekürzt, und diese Straffung hat gutgetan.
Das Bühnenbild ist ohne Farben in Schwarz-Weiß gehalten; vor diesem Hintergrund heben sich die farbenfrohen, historischen Kostüme, insbesondere die Kleider der Frauen, umso prächtiger ab. Die Farben der Kostüme, die fein aufeinander abgestimmt sind, geben zudem einen Fingerzeig auf Stimmung und Handlungsverlauf.
Die Handlung spielt im Salon von Sir Arthur Savile, großartig dargestellt von Julian Körner-Schuchardt. Dem naiven, ein wenig versnobten Adeligen zur Seite steht Butler Baines. Jens-Peter Wulf spielt den verlässlichen wie hinterlistigen Baines ausdrucksvoll. Dem stehen Katharina Spies als Verlobte Sibyl Mertens, Helene Schadt-Przylas als Lady Julia und Sibyls Mutter sowie Sabine Wulf als Lady Clementina in nichts nach.
Große Heiterkeit im Publikum lösten die Auftritte von Frank Ullrich und Jochen Thomas aus. Ullrich steht in der Rolle des zerstreuten Dekans von Paddington und als Onkel Arthur auf der Bühne, während Thomas als Frederick H. Winkelkopf die Rolle eines deutschen Anarchisten zufällt. Last, but not least überzeugt Rahman Gomavi als Chiromantist, als Handlinien-Leser, bei seinem Debüt.
Während das verliebte Paar Arthur und Sibyl seiner Hochzeit entgegenfiebert, argwöhnt Mutter Lady Julia böse Absichten. Sie will das Schicksal ihrer einzigen Tochter nicht dem Zufall überlassen. Der berühmte Chiromantist Podgers soll aus der Hand die Zukunft vorhersagen. Diesem gibt Lord Arthur nach einigem Drängen preis, er werde einen Mord begehen. Es sei seine Pflicht, den Mord vor der Ehe zu begehen, schlussfolgert der junge Lord, denn nur so würde er verhindern, dass er während der Ehe zum Mörder würde. Mit Unterstützung seines Butlers und unter Einmischung des Anarchisten Winkelkopf soll also vor der Hochzeit gemordet werden. Nach einigem Hin und Her erscheinen Lady Clementina und Dekan Paddington als die geeigneten Opfer für dieses Vorhaben.
Aus dieser irrwitzigen Konstellation entwickelt sich mit großartigem Wortwitz und englischem Humor eine rasante und unterhaltsame Gesellschaftssatire, die das Publikum immer wieder zum Lachen bringt.
Als Helfer in der Not hält der deutsche Anarchist die Spannung hoch, denn seine Pläne, die letztlich scheitern, bringen selbst Lord Arthur und Sibyl in Gefahr. Doch zuerst plant Butler Baines, Lady Clementina mit einer lieblich rosaroten Praline zu vergiften. Versteckt in einer Präsentbox unter dem teuersten Naschwerk der Stadt, wandern die Süßigkeiten unter den unerwarteten Gästen von Hand zu Hand. Einige greifen beherzt zu – und das Publikum hält den Atem an, als die Verlobte Sibyl auf die rosa Praline zugreift.
In der Pause bietet das Ensemble handgemachte, sehr leckere Pralinés an – mitten drin eine rosafarbene Süßigkeit. Die Gäste spielen mit und kaufen die Mitbringsel gerne für ihre Liebsten zu Hause.
In der Komödie „Lord Arthurs Verbrechen“ hält Oscar Wilde der feinen britischen Gesellschaft den Spiegel vor: ihren Snobismus, ihre Exzentrik, ihr Pflichtbewusstsein. Das Festhalten an Konventionen, das Hinnehmen des vorbestimmten Schicksals -– hier spielt das Bühnenbild mit vorgezeichneten Schatten an der Wand – wird ad absurdum geführt und auf die Spitze getrieben, wenn sich die Protagonisten höflich –und ohne jegliche moralische Wertung – über Mordplanungen unterhalten.
Wildes Stück bleibt unter vielen Aspekten zeitlos. Die Vorhersagen und Visionen des betrügerischen Chiromantisten werden nicht hinterfragt. „Vorhersagen werden geschluckt wie rosa Pillen“, schreibt Regisseur Goy. „Die affektierten Verhaltensweisen lassen sich heute wiedererkennen. Alles muss exotisch und ungewöhnlich sein. Jeder lebt in seiner kleinen Blase und versteht alles auf sich selbst bezogen.“
Tatsächlich kommt auch diese Krimikomödie nicht ohne einen Toten aus – aber wer wie zu Tode kommt, das wird hier nicht verraten.
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